Bericht zur Veranstaltung der VLJ BW „Migration und Integration – aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen“ am 2. Oktober 2024
Am 2. Oktober 2024 fand in Stuttgart eine Vortragsveranstaltung statt zum Thema „Migration und Integration – aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen“, zu der die Vereinigung Liberaler Juristen in Baden-Württemberg (VLJ BW) eingeladen hatte. Gastredner war Stephan Thomae, Mitglied des Deutschen Bundestages und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion.
Aufgrund der schrecklichen jüngsten Ereignisse von Mannheim und Solingen erfuhr die Veranstaltung besondere Bedeutsamkeit und Aktualität. Seither werden in der Politik große Anstrengungen unternommen, die massenhafte unkontrollierte Migration in den Griff zu bekommen: Positionspapiere, Sicherheitspakte usw. – kaum ein Tag vergeht, in dem nicht über Neuigkeiten berichtet wird.
Zunächst begrüßte Stefanie Assmann, Rechtsanwältin und Landesvorsitzende der Vereinigung Liberaler Juristen in Baden-Württemberg, die rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Sie gab einen Überblick über die weiter steigende Zahl von Asylanträgen in Deutschland in den letzten Jahren und machte deutlich, dass ohne kontrollierte Migration die dringend erforderliche Integration von Bleibeberechtigten nicht gelingen kann. Die Folgen spiegeln sich auch in den jüngsten Wahlergebnissen im Osten wider und führen dazu, dass bei der Bevölkerung die Offenheit gegenüber Einwanderung schwindet und das Vertrauen in die Politik schrumpft.
Im darauffolgenden Vortrag erläuterte Stephan Thomae zunächst das Sicherheitspaket der Regierungskoalition vom 29. August 2024, das eine grundlegende Neuausrichtung der Asylpolitik markiert – deutlich geprägt von der FDP. Die geplanten Schritte zielen auf mehr Kontrolle und Ordnung in der Migration, härtere Maßnahmen gegen ausreisepflichtige Ausländer und Gefährder, schärferes Vorgehen gegen gewaltbereiten Islamismus ohne unverhältnismäßige Einschränkung von Bürgerrechten sowie gezielte Anpassungen im Waffenrecht für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum.
Die momentan noch insbesondere mit der CDU diskutierten konkreten Maßnahmen beinhalten keinen Sozialleistungsanspruch bei sog. Dublin-Fällen, Konsequenzen bei Heimatreisen, Rückführungen auch nach Afghanistan und Syrien und den Ausschluss von Schutzansprüchen bei menschenverachtenden Straftaten.
Zu beobachten ist, so Stephan Thomae, dass auch immer mehr europäische Nachbarländer den Kurs gegen unkontrollierte Migration verschärfen: Grenzkontrollen werden ausgeweitet, Zurückweisungen heiß diskutiert. Insbesondere Frankreich fordert eine härtere Gangart. Als Vorbilder werden Dänemark, Italien und Schweden genannt. Demgegenüber äußert sich die EU-Kommission hierzu momentan auffällig zurückhaltend, obwohl eine Verständigung auf europäischer Ebene die beste Lösung verspricht.
Anschließend machte Stephan Thomae deutlich, dass die sog. Migrationspartnerschaften ein wichtiger Baustein der Migrationspolitik sind. Mit folgenden Ländern hat die Bundesregierung bereits Migrationsabkommen abgeschlossen: Indien, Georgien, Kenia und Usbekistan. Mit Marokko besteht seit Januar 2024 eine umfassende Migrationspartnerschaft. Derartige Vereinbarungen enthalten neben der Zusammenarbeit bei der Rückkehr abgelehnter Asylsuchender auch Aspekte wie den Ausbau wirtschaftlicher Zusammenarbeit und den Transfer von Technologie. Visa-Erleichterungen, die Schaffung von Qualifizierungsmaßnahmen für den deutschen Arbeitsmarkt und die Einrichtung von Jobbörsen sorgen außerdem dafür, dringend benötigte Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt zu gewinnen.
Die dann folgende Diskussion war lebhaft und gestaltete sich in lockerem Rahmen mit einem kleinen Imbiss im „Out of Office“ über die Dächer von Stuttgart. Hier wurde u.a. nachgefragt, insbesondere zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) der Europäischen Union, das einen einheitlichen und gerechten Asylprozess in den Mitgliedstaaten gewährleisten soll. Ziel des GEAS ist es, die Asylverfahren zu harmonisieren, um sicherzustellen, dass Asylsuchende in der gesamten EU eine faire Behandlung erfahren mit gleichen Rechten und Pflichten.
Die Diskussion offenbarte aber auch die Schwierigkeiten bei der praktischen Durchsetzbarkeit von Ausreisepflichtigen an den innereuropäischen Grenzen. Braucht es tatsächlich neue spektakuläre Gesetze oder eher Klarheit bei den bestehenden Vorschriften? In der Aussprache wurde letztlich auch deutlich, dass die ausdifferenzierten unionsrechtlichen und deutschen Rechtsvorschriften für die Bewältigung großer Migrationsströme mittlerweile zu kompliziert und damit für die Praxis untauglich geworden sind.